“Dorfladen für Tüwkow!?” – Kurzgeschichte Teil 3
Folge Drei
In Tüwkow in Mecklenburg will Mike mit seinen Freunden einen Dorfladen eröffnen, weil der Ort mit der Absage des wöchentlichen Brotwagens völlig von der Versorgung abgeschnitten wird. Das einzig mögliche Gebäude ist der alte Konsum, aber der Bürgermeister verhandelt schon mit einem Investor.
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Bei unserem Bürgermeister ist dann das Telefon heiß gelaufen. Wir haben noch am gleichen Wochenende eine Art Telefonkette organisiert und ich glaube, nur die Tüwkower über neunzig und unter siebzehn haben nicht bei ihm angerufen und sich gegen den Verkauf des Konsums ausgesprochen. Mehr oder weniger deutlich, jeder halt, wie er oder sie das sieht. Dabei ist mehrfach wohl auch das Wort Wählerstimmen gefallen. Bei der letzten Wahl hatte er nämlich nur knapp gewonnen.
Am Montag rief er bei mir an. Die Kurzfassung war: „Mike, der Bürgermeister und die Gemeindevertretung unterstützen die Idee eines eigenen Dorfladens in Tüwkow mit ganzer Kraft. Die Gespräche mit dem Investor werden nicht fortgesetzt.“ Puh.
Wir hatten kaum Zeit, das zu feiern. Jan hatte über einen Bekannten eines Feuerwehrkameraden einen Rechtsanwalt gefunden, der uns bei der Gründung des `Dorfladen Tüwkow e.V.` unterstützen sollte. Obwohl er wusste, dass wir noch kein Geld hatten. Gleich am nächsten Wochenende war das erste Treffen mit ihm.
Der Anwalt hat uns erstmal bestätigt, dass ein e.V. für unseren Fall der richtige Weg ist. Die Idee einer Genossenschaft hatten wir rasch fallen gelassen, das wollte insbesondere von den Älteren keiner wieder ausgraben. Und bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GbR bei dem Rechtsanwalt, würde jeder von uns mit seinem Privatvermögen haften. Also war der Verein für uns das Mittel der Wahl. Das müsse dann ein sogenannter wirtschaftlicher Verein sein, meinte der Anwalt, und das müssten wir nach der Eintragung ins Vereinsregister noch extra beim Land beantragen. Ok, würden wir machen. Wenn er uns das vorbereitet. Petra hat als Dankeschön für den Anwalt und die Vereinssatzung und den Brief ans Amtsgericht, die er für uns geschrieben hat, einen Einkaufsgutschein für den neuen Dorfladen gebastelt, dabei gab es den ja noch gar nicht. Der Anwalt hat zunächst etwas säuerlich geguckt, dann aber mit uns gegrinst.
Und es kam, wie es kommen musste, die anderen wählten mich zum Vorsitzenden, das war der Fluch der guten Tat. Und Franzi, weil sie ja schon unseren Turnverein leitet, zur Stellvertreterin.
„Dann muss aber Jan den Schatzmeister machen.“ Da blieb ich hart und Jan nickte. „Ok, Chef.“
Und den ersten handfesten Streit hatten wir bei der Festsetzung der Vereinsbeiträge.
Mit der Gründung des Vereins ging mein Abenteuer in die nächste Runde. Der Verein sollte schließlich den Dorfladen betreiben, daher musste ich die Liste abarbeiten, die uns der Anwalt schnell noch aufgeschrieben hatte. Amtsgericht, Gewerbeamt, Gesundheitsamt, Bauamt, Strom, Wasser, Abwasser, Telefon und so weiter. Beim Thema Strom fiel uns ein, dass der Verein ja auch eine Kontoverbindung brauchte und, wie Jan grinste, auch einen Überziehungskredit. Ohne Mampf kein Kampf und ohne Geld keine Lieferanten. Offen war nur, wie wir die Sparkasse davon überzeugen sollten, einem frisch gegründeten Verein, ohne jede Erfahrung und Sicherheiten einen Kredit zu geben. Und natürlich sagten die Nein. Dabei bleiben sie, auch nachdem wir auf die viele Eigenleistung hinwiesen, die wir ja erbringen würden und dass der Bürgermeister uns unterstützte.
Ich saß bis spät in die Nacht am Küchentisch und schrieb Listen mit den Dingen, die wir erledigen und organisieren mussten. Ein Name trat dabei besonders häufig auf, Siegfried Hohner. Siggi war gelernter Schreiner und Ladenbauer und im Fußballverein. Und er war gerade ohne Job, das machte ihn zu meinem bevorzugten Fachmann für die Renovierung und den Umbau. Das konnten wir alles erst in Angriff nehmen, nachdem wir beim Bürgermeister den Mietvertrag für den alten Konsum unterschreiben hatten, und dafür musste erst vom Amtsgericht die Eintragung als Verein bestätigt worden sein. Von der Unterzeichnung gibt es ein Foto, im Nachhinein sehe ich sehr unerfahren und naiv auf dem Bild aus, aber mit viel Überzeugung. Dem Bürgermeister war anzumerken, wie froh er war, diese Kuh vom Eis zu haben. „Ich hab da mal beim Land angerufen“, sagte er bei der Verabschiedung. „Ja, mach mal“, sagte ich nur und hatte das gleich wieder vergessen, denn ich hielt den unterschriebenen Mietvertrag umklammert und das wollten wir am gleichen Abend noch feiern. Wir legten dafür zusammen, der Verein hatte noch kein Konto und noch kein Geld.
Ich glaube, der Mietvertrag war dann der richtige Startschuss für den Dorfladen, das war handfest. Den Schlüsselbund, den er mir feierlich überreicht hatte, hielt ich mit meiner schwitzenden Hand umklammert.
Der alte Konsum hieß ab da nur ‚unser Laden‘ und hatte noch keinen Strom, daher mussten wir den ersten Vor-Ort-Termin auf den nächsten Tag verschieben. Das war eine Woche vor Weihnachten und wir alle steckten bis an die Ohrläppchen in den Vorbereitungen für das Fest, aber die Zeit dafür nahmen sich alle. Am nächsten Vormittag trafen wir vier uns im Laden und Franzi erzählte mit roten Wangen von ihrem Plan, mit dem Turnverein einen Flohmarkt zu Gunsten des Dorfladens zu veranstalten, damit erstes Geld in die Kasse kam. Anschubfinanzierung, lächelte sie.
Plötzlich stand hinter uns ein Mann in derben Schuhen und grauem Sakko. Er hielt eine knallrote Aktenmappe in der Hand. „Sie sind der Verein für den Dorfladen in Tüwkow?“ Ich bejahte das und stellte mich vor. Er nickte kurz. „Angenehm. Mein Name ist Dr. Rommke. Ich bin der Statiker und dieses Gebäude ist einsturzgefährdet.“
…wie es weiter geht, erfahren Sie morgen!
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